Es war ein nebelverhangener Novembermorgen 2008, als ich zum ersten Mal im Parc Natural de s'Albufera stand. Elena hatte mich überredet, statt an den Strand in einen Sumpf zu fahren. "Vertrau mir", sagte sie mit diesem Lächeln, das keine Widerrede duldet. Drei Stunden später hatte ich 47 Vogelarten gezählt, einen Fischadler beim Jagen beobachtet und verstanden, warum meine mallorquinische Frau so stolz auf ihre Insel ist.
Seitdem habe ich jeden einzelnen Naturpark Mallorcas dutzendfach besucht - bei Sonnenaufgang, im Hochsommer, während heftiger Winterstürme. Und jedes Mal entdecke ich etwas Neues. Diese 6 Schutzgebiete sind das schlagende Herz der Insel, Rückzugsorte für bedrohte Arten und Oasen der Ruhe für gestresste Seelen.
S'Albufera de Mallorca - Das Vogelparadies
Das größte Feuchtgebiet der Balearen
Wo einst Malaria wütete, erstreckt sich heute auf 1.646 Hektar ein Paradies für über 300 Vogelarten. S'Albufera ist der Beweis, dass Naturschutz funktioniert: In den 1960ern fast trockengelegt, beherbergt es heute wieder Purpurreiher, Rohrweihen und sogar Fischadler.
Das Besondere: Die Mischung aus Süß- und Salzwasser schafft einzigartige Lebensräume. Im Frühjahr explodiert das Leben förmlich - Tausende Zugvögel rasten hier auf ihrem Weg nach Afrika. Der Gesang ist ohrenbetäubend!
S'Albufera war jahrhundertelang gefürchtet - die Sümpfe waren Brutstätte für Malaria. Erst die Trockenlegungsversuche unter Franco und später die Umkehr zum Naturschutz 1985 machten es zu dem, was es heute ist. Mein Schwiegervater erzählt noch von den "Moskitowolken" seiner Kindheit.
Sa Dragonera - Die Dracheninsel
Symbol des balearischen Umweltschutzes
Diese 4 km lange Felseninsel vor Sant Elm sieht aus der Luft tatsächlich wie ein schlafender Drache aus. Aber Sa Dragonera ist mehr als eine hübsche Silhouette - es ist die Wiege der Umweltbewegung auf den Balearen.
1977 besetzten Umweltaktivisten die Insel, um eine geplante Luxus-Urbanisation zu verhindern. Elena war damals ein Teenager und erinnert sich noch an die Demonstrationen in Palma. Der Protest war erfolgreich - Sa Dragonera wurde zum Symbol dafür, dass Bürger etwas bewegen können.
Mondragó - Bilderbuchbuchten und Pinienwälder
Der Familienfreundliche
Mondragó ist der Kompromiss schlechthin: wunderschöne Naturstrände für die Badefans, schattige Wanderwege für die Aktiven und genug Infrastruktur, damit niemand meckert. Die Mischung macht's!
Das Besondere hier ist das Nebeneinander: Während an der Cala Mondragó die Familien planschen, brüten nur 200 Meter weiter seltene Kormorane in absoluter Ruhe. Die alten Trockensteinmauern durchziehen den Park wie Adern - Zeugen einer jahrhundertealten Kulturlandschaft.
Fun Fact: Der Name Mondragó soll von "Mon Dragó" (mein Drache) kommen - angeblich lebte hier einst ein Drache in einer der Höhlen. Die Einheimischen erzählen Kindern immer noch diese Geschichte, um sie von gefährlichen Klippen fernzuhalten.
Península de Llevant - Die wilde Ostküste
Mallorcas vergessene Ecke
Während alle nach Westen zur Tramuntana pilgern, haben wir im Llevant-Park oft die Wanderwege für uns allein. Dabei ist die Landschaft hier nicht weniger spektakulär - nur rauer, ursprünglicher, echter.
Hier leben noch die letzten wilden Landschildkröten Mallorcas. Bei einer Wanderung im Mai hatten wir das Glück, ein Exemplar zu sehen - es war mindestens 50 Jahre alt, schätzte unser Guide. Diese urzeitlichen Tiere haben alles überlebt: Römer, Mauren, Massentourismus.
Es Trenc-Salobrar de Campos - Karibik trifft Salzgärten
Der Jüngste im Bunde
2017 zum Naturpark erklärt, verbindet Es Trenc das, was Mallorca ausmacht: traumhafte Strände, traditionelle Salzgewinnung und eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Es ist der Beweis, dass Naturschutz und sanfter Tourismus koexistieren können.
Die Flamingos kommen im Spätsommer - ein surrealer Anblick vor der Kulisse der Salzberge. Elena und ich fahren jedes Jahr im September hin, wenn die Touristen weg sind und die rosa Vögel die Salzgärten bevölkern.
Es Trenc war jahrzehntelang umkämpft - Investoren träumten von Hotels, Naturschützer von einem Nationalpark. Der Kompromiss kam 2017: Naturpark mit Auflagen. Die Parkplätze sind begrenzt, wilde Camper werden vertrieben, aber der Strand bleibt zugänglich. Ein Balanceakt, der erstaunlich gut funktioniert.
Cabrera - Das vergessene Paradies
Spaniens maritimer Nationalpark
19 Inseln, 90.800 Hektar (davon 89.000 unter Wasser), und maximal 300 Besucher pro Tag - Cabrera ist Mallorcas bestgehütetes Geheimnis. Die Überfahrt von Colònia de Sant Jordi dauert 45 Minuten, aber man reist in eine andere Welt.
Die Geschichte ist düster: Cabrera war ein Gefangenenlager für napoleonische Soldaten. Von 9.000 Gefangenen überlebten nur 3.600. Heute ist es ein Paradies für Mönchsrobben, Sturmtaucher und über 200 Fischarten. Die Natur hat sich zurückgeholt, was ihr gehört.
Wann wohin? Unser Jahreskalender
Frühling (März-Mai)
Highlight: Blütezeit überall! S'Albufera für Vogelzug, Llevant für Wildblumen, Mondragó für erste Badeausflüge. Perfektes Wanderwetter.
Sommer (Juni-August)
Tipp: Früh aufstehen! Morgens in die Parks, nachmittags an die Strände von Mondragó oder Es Trenc. Cabrera-Ausflüge sind jetzt am schönsten.
Herbst (September-November)
Geheimtipp: Beste Zeit überhaupt! Flamingos in Es Trenc, Vogelzug in S'Albufera, perfekte Temperaturen zum Wandern. Weniger Besucher überall.
Winter (Dezember-Februar)
Für Kenner: S'Albufera ist jetzt voller Wintergäste aus dem Norden. Llevant-Wanderungen bei klarer Luft. Cabrera geschlossen, aber die anderen Parks haben ihren eigenen Winterzauber.
Ein persönliches Fazit
Nach all den Jahren verstehe ich, warum Elena so stolz auf ihre Insel ist. Diese Naturparks sind nicht nur Schutzgebiete - sie sind die Seele Mallorcas. Hier findet man das, was in den Touristenzentren verloren gegangen ist: Stille, Schönheit, echtes Leben.
Jeder Park hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Geschichte. S'Albufera lehrt Geduld - wer Vögel beobachten will, muss warten können. Sa Dragonera erzählt vom Mut der Bürger. Mondragó zeigt, dass Naturschutz und Tourismus keine Feinde sein müssen. Llevant beweist, dass es noch wilde Ecken gibt. Es Trenc ist der Kompromiss in Perfektion. Und Cabrera? Cabrera ist der Traum von einer Welt, in der die Natur regiert.
Elena sagt immer: "Mallorca ist wie eine Zwiebel - man muss die Schichten abziehen, um zum Kern zu kommen." Die Naturparks sind dieser Kern. Hier schlägt das wahre Herz der Insel. Hören Sie hin.